Ranftweg

Starke Frauen – biblisch und franziskanisch

Die Juni-Ausgabe der TAUZEIT widmet sich zwei weiteren eindrucksvollen Frauengestalten: Maria von Magdala als Weggefährtin und Freundin Jesu, und Jacopa dei Sette Sogli als Freundin von Franziskus. Claudia Mennen kommt mit Maria von Magdala ins Gespräch, Martina Kreidler mit den drei starken Frauen auf dem Damianokreuz und drei heutige Frauen mit ihren Namenspatroninnen. Zwei moderne Seelsorgerinnen sprechen über ihre Sendung auf der Spur der Apostelin. Br. Niklaus wirft einen neuen Blick auf ein vertrautes Giottofresko, auf dem sich Klara und Jakoba gemeinsam Franziskus zugewandt zeigen. Dazu die Farbversion des Bildes und ein aktueller Buchtipp! 

 

 

 

Die römische Familienfrau Jacopa de‘ Sette Sogli rückte erst vor 130 Jahren aus dem Schatten der Geschichte ins Licht der Franziskusforschung. Eine neue Publikation von Amneris Marcucci, pensionierte Gymnasiallehrerin von Assisi, zeichnet den heutigen Kenntnisstand zur „nobildonna romana – amica di san Francesco“ (= römische Adelige - Freundin des hl. Franziskus) nach. 

Amneris Marcucci, Frate Jacopa. Sulle tracce della nobildonna romana - amica di san Francesco, Assisi 2020

 

 

Marcucci Jacopa JakobaHier einige Fakten aus diesem Buch, die über die Kurzbiografie im Personenlexikon der Doppelbiografie von Martina Kreidler-Kos – Niklaus Kuster, Bruder Feuer und Schwester Licht. Franz und Klara von Assisi – Zwei Lebensgeschichten im Dialog (Ostfildern 2021) hinausgehen:

 

Um 1190 geboren und damit rund acht Jahre jünger als Franziskus, stammt Jacopa aus dem deutschen Zweig der Normannifamilie. Sie dürfte jung mit dem römischen Adeligen Graziano Frangipani, dem Herrn über Marino, Turricola und grosse Gebiete von Vesperosa, verheiratet worden sein. Das Paar hatte zwei Söhne, Giovanni und Graziano. Das Jahr der Hochzeit ist uns ebenso unbekannt wie das Todesjahr des Gatten (sicher vor 1217). Ob Jacopa Franziskus schon vor dem Tod ihres Mannes kennenlernte, entzieht sich unserem Wissen. Eine erste Begegnung wäre anlässlich der Romreise der ersten Brüder von 1209 oder einem neuen Treffen mit dem Papst 1212 denkbar. Was gewiss ist: Die junge Witwe verzichtete auf eine neue Heirat, verwaltete die umfangreichen Besitzungen der Familie selber und zeichnete sich durch Versöhnlichkeit in einem alten Konflikt mit dem Savelli-Clan aus, der mit Honorius III. ab Sommer 1216 den Papst nach dem grossen Innozenz III. stellte. Intensivere Kontakte zu Franziskus dürften zuvor in die Wochen des Vierten Laterankonzils fallen, an dem im November 1215 rund 1400 Bischöfe, Prälaten, Äbte und Abordnungen weltlicher Herrscher teilnahmen.

Der Frangipani-Zweig, in den Jacopa hineingeheiratet hatte, verdankte seinen Beinamen "de' Sette Sogli" dem Ort seiner römischen Stadtresidenz zwischen dem östlichen Rund des Circus Maximus (Bild) und den Resten des Kaiserpalastes von Septimius Severus am Palatin, dem "Septizonium".

Die adelige Herrin sorgte für eine franziskanische Bleibe im nahen Trastevere-Quartier. Nachdem sie neben Franziskus auch Brüder bei sich aufnahm, bewegte sie die Benediktiner der Abtei San Cosimato, diesen im Hospital San Biagio Gastfreundschaft zu bieten. Das Hospiz nahm Aussätzige und später Pilgende auf.

Thomas von Celano schildert Jacopas bewegende Ankunft am Sterbelager ihres Freundes und die letzte Umarmung des Verstorbenen in der Nacht auf den 4. Oktober 1226 in der Portiuncula-Kapelle (3 C 39).

Giotto JakobaKlara Franziskus1226Das Giottofresko vom Trauerzug an San Damiano vorbei zeigt Jacopa mit blonden Zöpfen und in rotem Kleid die Bahre des Poverello halten, Klara ganz nahe. Nach der Bestattung reiste Jacopa wieder nach Rom, nahm das Kissen mit, auf dem der Kopf des Sterbenden ruhte, und kleidete dieses in einen wertvollen Stoffanzug mit der Inschrift: «Confessor Domini Franciscus ad aetherea migrans hoc capitale tenuit super caput almum. Valete in Domino et orate pro me» (Der Bekenner Gottes, Franziskus, hat auf dem Weg in den Himmel sein ehrwürdiges Haupt auf dieses Kissen gebettet. Seid stark im Herrn und betet für mich). Das Kissen ist heute als Reliquie in San Francesco von Assisi zu sehen.

Ein Jahr nach der Heiligsprechung des Poverello erreichte Jacopa von Papst Gregor IX. die Übergabe der Blasiuskapelle und des Hospital in Trastevere von den Benediktinern an die Minderbrüder (Dokument: 23. Juli 1229). Die Blasiuskapelle und die «Zelle des Franziskus» wurden in den neuen Klosterbau integriert. 

Marcucci hält es mit André Vauchez für wahrscheinlich, dass die reich begüterte Jacopa finanziell zur rekordschnell erbauten Unterkirche von San Francesco beitrug.

Ein letztes Dokument lässt Jacopa zusammen mit ihrem Sohn Giovanni agieren: Sie verordnen gemeinsam, dass in ihrem Städtchen Marino und seinem Territorium die «bonae consuetudines» erhalten bleiben. Es dürfte sich um grosszügig gewährte Freiheiten handeln wie Holz schlagen, Heu einbringen, Vieh weiden lassen sowie ehrenhaften lokalen Verwaltern unterstehen. Die Güter gingen sukzessive an ihren Sohn Giovanni über, den das Volk von Marino «Vater» nannte. Er verordnete später in seinem Testament, dass seine dortigen Güter nach dem Tod der direkten Nachkommen an die Armen der Stadt und die Klöster der Region gehen sollten. Das geschah später tatsächlich trotz Einspruch der Gattin Saracena, die als Witwe gleich eine neue Heirat einging.

Marcucci vermutet, dass Jacopa erst nach diesem Dokument, d.h. nach Mitte 1237 nach Assisi wechselte. Überliefert ist ein Besuch bei Frate Egidio in Monticelli di Perugia. Wadding datiert ihren Tod noch ins Jahr 1239. Die Tatsache, dass sie ihr Grab unüblicherweise in der Franziskusbasilika findet und zwar vor dem damaligen Lettner im Klausurbereich, könnte sich mit einer Bestattung noch vor dem Sturz von Frate Elia erklären.

Heute findet sich die Urne mit Jakobas Gebeinen in der Krypta von San Francesco: während die Urnennischen der engsten vier Gefährten den Steinsarg des Poverello im Kreisrund umgeben, findet sich die Nische der Freundin da, wo die beiden Treppen sich hinten vor den letzten Stufen treffen. Franziskus' Steinsarg und Jakobas Urne zeichnen damit gleichsam die Mittellinie der Krypta.

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